Die Gründer der Nachrichtenagenturen im 19. Jahrhundert waren Unternehmer, die das Entstehen der neuen Massenpresse in Verbindung mit neuen technischen Möglichkeiten zu nutzen wussten. Mit engagierten Journalisten, wie sie die Presse der Aufklärung im 18. Jahrhundert hervorgebracht hatte, verband sie wenig, auch wenn sie den liberal-demokratischen Bewegungen der 1848er Revolutionen nahe standen. Charles-Louis Havas (1783-1853), Bernhard Wolff (1811-1879) und Paul Julius Reuter (1816-1899) hatten kein publizistisches Interesse. Sie knüpften mit ihren geschäftlichen Interessen eher an die Tradition der Augsburger Fugger an, die seit 1568 Zeytungen sammelten und an Geschäftsfreunde schickten: handschriftlich aufgezeichnete Informationen über Warenpreise oder die Sicherheit auf Handelsstraßen sowie Nachrichten über Kriege und Thronwechsel in Europa. Solche Ereignisse, wie sie im 16. Jahrhundert die weitgespannten Handelsgeschäfte des Fuggerschen Familienunternehmens beeinflussten, gelten in der internationalen Finanzwelt als market affecting news.
Banken, Handelsfirmen und Zeitungen waren die Kunden der Agence Havas, Vorläuferin der Agence France Presse (AFP), die 1835 in Paris als Zusammenschluss kleinerer Nachrichten- und Übersetzungsbüros entstand und als älteste Nachrichtenagentur im modernen Sinne gelten kann. Auch der Begriff Agence - Agentur - blieb seitdem erhalten. Ziel des französischen Geschäftsmanns Havas war es, dieselben Nachrichten an möglichst viele Abnehmer zu verkaufen und so nicht nur die Kosten der Nachrichtenbeschaffung zu decken, sondern auch noch einen Gewinn zu erzielen. Auch für die Pariser Zeitungen lohnte sich die Zusammenarbeit mit dem Geschäftsmann: Sie sparten mit dem Abonnement des Havas-Dienstes die kostspielige Entsendung eigener Korrespondenten.
Der Kaufmann Havas baute seinen Nachrichtendienst zunächst auf einem Übersetzungsbüro auf, das eine Auswahl von Berichten ausländischer Zeitungen vorrangig an Regierungsbehörden und Geschäftsleute verschickte. Um Zeitungskunden in allen politischen Lagern zu gewinnen, konzentrierte er sich auf reine Fakten wie Börsenkurse oder gab unverändert übersetzte Berichte ausländischer Zeitungen wieder. Peinlich vermied er es, durch eine einseitig getönte Berichterstattung den Unwillen seiner Kunden oder diplomatische Verwicklungen heraufzubeschwören - schließlich war die Beschaffung von sonst kaum verfügbaren Informationen aus dem Ausland der vorrangige Zweck der frühen Nachrichtendienste.
Mit eindeutigen Angaben von Informationsquellen enthob sich das Havas-Büro in der Rue Jean-Jacques Rousseau, ganz in der Nähe von Post und Börse, jeder Verantwortung für den Inhalt der übermittelten Meldung. Anstoß erregte dieses Konzept bei politisch engagierten Publizisten wie Honoré de Balzac, der 1840 beißenden Spott über den Agenturpionier ausgoss: Herr Havas hat viele Regierungen erlebt, er verehrt die Tatsache und bezeugt wenig Bewunderung für die Prinzipien; auch hat er allen Regierungen mit der gleichen Treue gedient (zitiert nach Frédérix 1959, S.26).
Tatsächlich verstanden sich die Nachrichtendienste letztlich als unsichtbarer, passiver Transmissionsriemen zwischen den Quellen der Information und zahlenden Kunden (Fenby 1986, S.25). Da die Agenturen ihren Dienst sowohl an parteipolitisch festgelegte Blätter als auch an die Massenpresse der Generalanzeiger und frühen Boulevardzeitungen verkaufen wollten, mussten sie sich stets bemühen, keinen ihrer Kunden durch eine tendenzielle Berichterstattung zu verärgern. Es war also ein rein betriebswirtschaftliches Motiv, das die Objektivität zum Prinzip der Agenturberichterstattung machte.
Mein Geschäft ist es, Tatsachen zu verbreiten, erklärte der erste AP-Korrespondent in Washington, Lawrence Gobright. (1816-1881). Meine Anweisungen erlauben es mir nicht, den Tatsachen irgendeinen Kommentar zu unterlegen. Meine Berichte gehen an Zeitungen aller politischen Richtungen. Ich beschränke mich daher auf wirkliche Ereignisse, die ich wahrheitsgemäß und unparteiisch darzustellen versuche. Im letzten Satz klingt zwar das Eingeständnis an, dass sich das Konzept der Objektivität in seiner Idealform kaum verwirklichen lässt. Doch prägt das Bemühen um Faktentreue und wertfreie Berichterstattung bis heute das Selbstverständnis der Nachrichtenagenturen. Auch die Kritiker in der Nachfolge Balzacs sind nicht verstummt, sondern prangern nach wie vor eine Neigung der Agenturen an, die nicht weiter in Frage gestellten herrschenden Verhältnisse lediglich abzubilden.
Havas übte mit seinem ersten Nachrichtenbüro einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des Agenturgeschäfts in Europa aus: Sowohl Bernhard Wolff, der Gründer des Wolffschen Telegraphenbüros (WTB) in Berlin, als auch Paul Julius Reuter lernten bei ihm. Beide hatten es im Revolutionsjahr 1848 mit Beginn der politischen Repression vorgezogen, Deutschland fürs erste den Rücken zu kehren und bei der Agence Havas als Übersetzer zu arbeiten. Reuter, der aus einer jüdischen Familie in Kassel stammte und zunächst ins Verlagsgeschäft einstieg, führte ein bis heute gültiges Agenturprinzip ein, mit dem es Havas noch nicht so genau nahm. Während dieser für eine Vorzugsbelieferung bestimmter Kunden einen höheren Sondertarif berechnet haben soll, legte der Gründer der britischen Weltagentur Wert auf eine Gleichbehandlung aller Abonnenten seines Nachrichtendienstes. Indem der Geschäftsgrundsatz der Objektivität somit auf die Kundenseite ausgeweitet wurde, konnte sich jeder Bezieher darauf verlassen, stets ebenso aktuell und zuverlässig wie alle anderen bedient zu werden. Reuter trieb dies in seinem ersten Nachrichtenbüro (1849 bis 1851 in Aachen) so weit, dass er die bei ihm unter Vertrag stehenden Geschäftsleute eingeschlossen haben soll, bis der Börsenbericht allen zur gleichen Zeit übergeben werden konnte (Read 1999, S.10). Heute wird die Gleichbehandlung der Bezieher nicht mehr durch eine Beschneidung persönlicher Freiheit gewährleistet, sondern durch die moderne Übermittlungstechnik: Jeder Kunde erhält jede Meldung zur gleichen Zeit.
Dem Interesse der Geschäftsleute an einer möglichst frühzeitigen Unterrichtung folgend war Julius Reuter auch der erste Agenturpionier, der die Parole ausgab, jedes wichtige Ereignis schneller zu melden als alle anderen. Um rasch an die Londoner Börsenkurse zu kommen, siedelte er sein 1851 gegründetes Nachrichtenbüro in unmittelbarer Nähe der Royal Exchange an - so wie noch Mitte des 20. Jahrhunderts neue Agenturzentralen wie die des deutschen AP-Dienstes oder die Bildzentrale der dpa ein Gebäude in der Nähe des Hauptbahnhofs bezogen, damit die Korrespondenten schnell zu den Orten des Geschehens eilen konnten.
Schnelligkeit im Nachrichtengeschäft erhöhte freilich auch das Fehlerrisiko. Während der eher bedächtig-vorsichtige Havas bei der Auswertung ausländischer Zeitungsberichte und sorgfältigem Verweis auf diese Quellen kaum etwas falsch machen konnte, musste Reuter seinen Ehrgeiz, immer der erste zu sein, schon frühzeitig mit der Anweisung absichern, etwaige Falschmeldungen rasch zu korrigieren. Die erste Berichtigung der Agenturgeschichte ging 1858 auf den Ticker: Rectification. It appears that the vessel, having Lord Stratford de Redcliffe on board, which ran aground near Smyrna, was not the Caradoc, but the frigate Curacao.
Auch für den Begründer des Agenturjournalismus in Deutschland, Bernhard Wolff, stand am Anfang des Nachrichtengeschäfts das Auf und Ab der Aktienkurse, das ihn während seiner Tätigkeit für Havas zu fesseln begonnen hatte. Schließlich beeinflusste die Pariser Börse damals noch maßgeblich die anderen Aktienmärkte Europas. Als Wolff nach Deutschland zurückgekehrt seine medizinischen Ambitionen endgültig aufgab (nach dem Studium fehlte ihm das Geld für die Gründung einer Arztpraxis), übernahm er die Geschäftsführung der jungen National-Zeitung. Mit Unterstützung anderer Berliner Zeitungen und von Bankiers gründete er 1849 ein Telegraphenbüro in Berlin, das zunächst fast ausschließlich Firmen- und Börsenmeldungen für die National-Zeitung übermittelte. Aktienkurse fielen regelmäßig zu festen Zeiten an bestimmten Orten an, das ersparte die aufwendige Suche nach geeignetem Stoff (Basse 1991, S.24). Zudem konnten diese Meldungen auch von journalistisch ungeübten Mitarbeitern problemlos verarbeitet werden. Ihre offensichtliche Objektivität hielt das in Deutschland besonders ausgeprägte Risiko staatlicher Zensureingriffe niedrig. Und schließlich konnten Banken und Unternehmen als Bezieher die Kosten der telegraphischen Übermittlung eher bezahlen als Zeitungen.
In den Anfangsjahren des Wolffschen Telegraphenbüros (WTB) waren die Bedingungen für das Agenturgeschäft in Deutschland jedoch noch ausgesprochen ungünstig. Vom Staat argwöhnisch beäugt und in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung behindert, konnten sich die meisten deutschen Blätter weder Auslandskorrespondenten noch den Agenturdienst leisten. Der größte Teil der Auslandsinformation gelangte auf zeitraubendem, aber billigem Weg der Zitierung ausländischer Zeitungen - oder auch nur durch schlichtes Abschreiben ohne Quellenangabe - in den Nachrichtenteil der Presse (Basse 1991, S.23). Erst nach sechs Jahren weitete Wolff seinen Nachrichtendienst auch auf die Politik und andere Ereignisse von allgemeinem Interesse aus, schickte 1859 den ersten Auslandskorrespondenten nach Paris und entwickelte sich in der Folge zum führenden Nachrichtenanbieter der deutschen Presse. Anders als Havas und Reuter kümmerte sich Wolff nicht nur um die großen Blätter der Hauptstadt, sondern bemühte sich auch besonders um die Bedürfnisse der Provinzzeitungen. Stets habe er Rücksicht auf die Stunde der Ausgabe eines Blattes genommen, erklärten zeitgenössische Journalisten (zitiert nach Höhne 1977, S.47). Wolff erkannte offenbar schon frühzeitig einen Trend, der bis heute die Nachfrageseite des Agenturgeschäfts kennzeichnet: Da sich die überregionalen Zeitungen eher eigene Korrespondenten leisten können als die kleineren Regionalzeitungen, sind Medien mit einem kleineren Verbreitungsgebiet besonders auf die aktuelle Agenturberichterstattung angewiesen.